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Interview: Eigenheime energetisch Sanieren und Bauen – die Herangehensweise

Heizungsfinder: Herr Kellhammer, wie steht es mit der energetischen Qualität bei Neubauten? Wie werden die gesetzlichen Vorgaben der Energieeinsparverordnung 2009 (EnEV) auf den Baustellen technisch umgesetzt?

Kellhammer: Wir haben vom VPB aus vor drei Jahren eine große Untersuchung zum Thema gemacht – mit erschreckend schlechten Resultaten. Die Untersuchung haben wir 2010 wiederholt. Die Ergebnisse der Untersuchung sind etwas besser ausgefallen als vor zwei Jahren, aber nach wie vor ernüchternd. Von den politisch gewünschten Vorgaben sind deutsche Neubauten immer noch weit entfernt.

Heizungsfinder: Wie viele Bauten haben Sie dazu untersucht?

Kellhammer: Im relevanten Zeitraum 2010 haben wir bundesweit insgesamt 5.231 Bauvorhaben untersucht.

Heizungsfinder: Wo liegen die Probleme?

Kellhammer: Rund 30 Prozent aller Neubauten entsprechen überhaupt nicht den Anforderungen der Energieeinsparverordnung. Fast die Hälfte, genau 49,23 Prozent, aller EnEV-Nachweise sind falsch berechnet. In 53,1 Prozent der untersuchten Fälle wurden die Berechnungen zur Energieeinsparung auf der Baustelle technisch nicht korrekt umgesetzt.

Heizungsfinder: Nennen Sie uns dafür ein Beispiel.

Kellhammer: Auf der Baustelle werden zum Beispiel häufig schlechtere Dämmstoffe verwendet, als den Berechnungen zugrunde lagen. Das führt natürlich in der Realität auch zu schlechteren Dämmwerten. Außerdem wird auf Blower-Door-Tests verzichtet, obwohl sie dringend nötig wären, um etwaige Energielecks aufzuspüren. Resultat: Das Haus vergeudet unnötig Energie.

Heizungsfinder: Ihr Verband bemängelt in seiner Untersuchung, fast jeder zweite Bauherr nutze sein Haus wegen fehlender Informationen energetisch kontraproduktiv! Was ist damit gemeint?

Kellhammer: Viele Bauherren, vor allem Käufer schlüsselfertiger Bauten, werden nicht über die energetischen Besonderheiten ihrer Immobilie unterrichtet. Ihre Häuser sind bereits fix und fertig geplant, wenn sie den Vertrag unterzeichnen. Eine nachträgliche Anpassung des Heizungssystems an ihre Heizgewohnheiten und Nutzungswünschen ist nicht üblich – und wird, so stellen wir beim VPB fest, von den Käufern bislang auch nicht nachgefragt. Dabei ist es ganz entscheidend für die Berechnungen, wie eine Immobilie genutzt werden soll.

Heizungsfinder: Können Sie uns das näher erläutern?

Kellhammer: Ja, ist beispielsweise der Keller als Wohn- und Arbeitsbereich vorgesehen, dann muss er auch gedämmt und konsequent beheizt werden. Dient er dagegen nur als Abstellraum, muss er gegenüber den beheizten Wohnbereichen thermisch abgeschottet werden. Energieeinsparung, wie wir sie heute betreiben, ist echtes „Feintuning“. Damit das alles optimal funktioniert, müssen die zukünftigen Bewohner wissen, wo ihre Dämmungen verlaufen, welche Räume sie heizen, welche Türen sie geschlossen halten müssen – und vor allem auch, wie sie richtig lüften müssen. Ein modernes Haus braucht eine regelrechte Gebrauchsanweisung.

(Blower Door Test | Bild: Verband Privater Bauherren)

Heizungsfinder: Und wie ist es bei der Sanierung eines gebrauchten Hauses?

Kellhammer: Da lauern ähnliche Probleme. Weil bei diesen Baumaßnahmen aber in der Regel individuell geplant wird, lassen sie sich von erfahrenen Planern im Altbau leichter umschiffen. Wir raten deshalb hier auch dringend von standardisierten Lösungen ab. Der kluge Sanierer beginnt nicht mit der Auswahl eines Heiz- oder Dämmsystems, sondern mit der bauphysikalischen Untersuchung seiner Immobilie: Wie sieht sie aus? Was ist an Technik drin? Was kann weiter verwendet werden? Was muss raus? Das können natürlich nur Fachleute klären. Idealerweise beauftragt der Hausbesitzer damit einen unabhängigen Sachverständigen, der untersucht die Immobilie und macht anschließend Sanierungsvorschläge – und zwar firmen-und produktneutral, bauphysikalisch auf das Haus abgestimmt – und auf die Bedürfnisse und finanziellen Möglichkeiten der Bewohner.

Heizungsfinder: Energetische Sanierung rechnet sich aber in jedem Fall, oder muss fossilie Energie erst noch teurer werden?

Kellhammer: Energetische Sanierung amortisiert sich viel langsamer, als (von regierungsnahen Organisationen) immer wieder vorgerechnet wird. Das liegt vor allem daran, dass immer wieder Wirtschaftlichkeitsberechnungen publiziert werden, bei denen ausschließlich Häuser mit jahrzehntelangem Instandhaltungsrückstau zugrunde gelegt werden. Diese Berechnungen gehen davon aus, dass das Haus grundlegend saniert werden muss und dabei die Kosten für Gerüst, Putz und Malerarbeiten ohnehin anfallen. Der relative Mehraufwand für die eigentliche Dämmung fällt dann rechnerisch nur gering aus. Mit dieser geschönten Summe werden die Bauherren gelockt. Die Wirklichkeit sieht aber anders aus.

Heizungsfinder: Wie denn?

Kellhammer: Unserer Erfahrung nach bewohnen deutsche Hausbesitzer keine Ruinen, in denen der Putz von der Fassade blättert. Im Gegenteil: Die meisten Hausbesitzer pflegen ihr Heim. Sie brauchen keine Totalsanierung der Fassaden. Wenn sie energetisch sanieren, dann bezahlen sie also nicht nur eine Lage Dämmung, die sich amortisieren muss, sondern sie müssen auch alle dazu gehörigen Nebenkosten einkalkulieren. Das sind neben der eigentlichen Wärmedämmschicht zusätzlich noch die Kosten für das Gerüst, für Putz, Malerarbeiten, für die Anschlüsse, die neuen Fensterbänke, eventuell neue Rollladenkästen, das neuerliche Montieren von Außenlampen, das Anschließen von Geländern an Eingängen und Balkonen und etliche Details mehr. Weil aber alle diese Aspekte in den Modellrechnungen nicht berücksichtigt werden, geht der sanierungswillige Hausbesitzer von völlig falschen Voraussetzungen aus und erschreckt zu Recht über die tatsächlichen Kosten.

Heizungsfinder: Und wie hoch liegen die Kosten tatsächlich?

Kellhammer: 
Das hängt von der Immobilie ab, aber wir setzen dafür mindestens 70.000 Euro an.

Heizungsfinder: Wie viel Zeit muss der Bauherr für die Sanierung einkalkulieren – von der Planung über die Ausschreibung bis zum Bau?

Kellhammer: Das kann man nicht pauschal beantworten. Zuerst muss in jedem Fall ein Gesamtkonzept erstellt werden, mit Hilfe eines erfahrenen Energieberaters oder Architekten. Im Rahmen dieses Konzepts wird dann auch geklärt, ob KfW-Zuschüsse in Anspruch genommen werden können. In dieser Planungsphase sollte man sich aber nicht unter Druck setzen lassen. Ich rate dazu, sich hier etwa ein halbes Jahr Zeit zu nehmen. Auch die Bauzeit differiert stark, je nach Art der baulichen Maßnahmen.

Heizungsfinder: Vielen Dank für das Gespräch.

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