Die natürlichen Ressourcen werden immer knapper – wie sich vorhandene Rohstoffe nachhaltig in das Bauwesen einbinden lassen, zeigt das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) auf der Bundesgartenschau 2019 in Heilbronn: Studierende, Forschende und Lehrende der KIT-Fakultät für Architektur haben einen Pavillon aus wiederverwendeten und -verwerteten Materialien entworfen und realisiert.
Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller und der Heilbronner Baubürgermeister Wilfried Hajek weihen den „Mehr.WERT.Pavillon“ am 2. Mai 2019 um 14:00 Uhr ein.
Der Pavillon ist Teil des Mehr.WERT.Gartens, eines gemeinsamen Projektes des baden-württembergischen Umweltministeriums und der Entsorgungsbetriebe der Stadt Heilbronn. „Wir haben die Chance genutzt und auf der BUGA Heilbronn einen Pavillon geschaffen, der anschaulich zeigt, welche Ressourcen sich in unserem Abfall verbergen, gerade für den Bausektor“, so Minister Franz Untersteller zum Projekt.
Ein gutes Beispiel für Kreislaufwirtschaft im Bauwesen
Der Pavillon zeigt den innovativen und sinnvollen Einsatz recycelter Ressourcen: Alle im Projekt eingesetzten Materialien haben bereits mindestens einen Lebenszyklus durchlaufen und sind nach dem Rückbau des Pavillons wiederum komplett trennbar, es kommen keinerlei Klebstoffe, Schäume, Anstriche oder sonstigen Imprägnierungen zum Einsatz. „Nachhaltige Architektur muss attraktiv und relevant sein. Gerade im Bauwesen ist ein Umdenken möglich, denn hier können wir heute schon die Kreislaufwirtschaft etablieren. Wir müssen es nur wollen und tun“, sagt Dirk E. Hebel, Professor für Nachhaltiges Bauen am KIT.
Beim Bau des Pavillons nutzte das Team verschiedene Stoffkreisläufe für Struktur, Fassade, Boden und Innenausstattung: Die tragende Struktur ist komplett aus Stahl gefertigt, der größtenteils aus einem zurückgebauten Kohlekraftwerk in Nordrhein-Westfalen stammt. „Neben einer genauen Sichtprüfung zur Feststellung möglicher Beschädigungen der Elemente haben wir den Stahl gemeinsam mit den fakultätseigenen Laboren und der Versuchsanstalt für Stahl, Holz und Steine am KIT auf seine Zugfestigkeit, Elastizität, Widerstandsfähigkeit und chemische Zusammensetzung untersucht“, erläutert Karsten Schlesier, der am Fachgebiet für Nachhaltiges Bauen am KIT forscht. Die Fassade besteht aus wiederverwertetem Glas, das zu zwei verschiedenen Baustoffen weiterverarbeitet wurde: Zum einen zu Glaskeramik aus geschmolzenem transparentem, weißem oder grünem Flaschenglas; zum anderen zu Schaumglas, einem leichten, aber stabilen Dämmmaterial.
Der Boden im Garten und unter dem Pavillon kombiniert verschiedene mineralische Materialien: Beton- und Ziegelbruch in verschiedenen Körnungen, Porzellanbruch, direkt wiederverwendete Klinkersteine und „WasteBasedBricks“, Backsteine aus mineralischem Bauschutt. Möbel und Einbauten sind aus diversen Kunststoffmaterialien hergestellt. Für den Tresen verwendeten die Architektinnen und Architekten recycelte Textilfasern aus weißer Baumwolle und Denim-Jeansstoffen, die Arbeitsplatte besteht aus wiederverwerteten Küchen-Schneidebrettern. Die Hocker und Stühle wurden dreidimensional aus Kunststoff-Hausabfällen gedruckt.
Der Entwurf ist ein Gemeinschaftsprojekt von Studierenden des KIT und den Fachgebieten Nachhaltiges Bauen (Professor Dirk E. Hebel), Tragkonstruktion (Professor Matthias Pfeifer) und Bautechnologie (Professorin Rosemarie Wagner). „Der Mehr.WERT.Pavillon bedient sich einerseits der bestehenden urbanen Mine, stellt aber gleichzeitig auch ein Materiallager dar, dessen Ressourcen nach der Bundesgartenschau wieder vollständig zur Verfügung stehen“, erklärt Felix Heisel, Forschungsverantwortlicher am Fachgebiet Nachhaltiges Bauen.
Informationen zum Projekt „Mehr.WERT.Pavillon“
Projektträger sind die Entsorgungsbetriebe der Stadt Heilbronn, das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg sowie die Bundesgartenschau Heilbronn 2019 GmbH. Der Entwurf für den Pavillon stammt von Lisa Krämer, Simon Sommer, Philipp Staab, Sophie Welter, Katna Wiese, Felix Heisel, Karsten Schlesier und Professor Dirk E. Hebel vom Fachgebiet Nachhaltiges Bauen am KIT; Professorin Rosemarie Wagner, Fachgebiet Bautechnologie unterstützte die statische Formfindung. Die Planung, statische Berechnung und Ausführung des Pavillons übernahm das Büro 2hs Architekten und Ingenieur PartGmbB. Prüfingenieur war Professor Matthias Pfeifer vom KIT. Der Objektbau wurde durchgeführt von AMF Theaterbauten GmbH, die Elektro- und Lichtplanung stammt von Udo Rehm / FC-Planung GmbH. Weiterhin haben die GreenCycle GmbH, Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH (DSD) und die SER GmbH das Projekt unterstützt.
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 9 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 25 100 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen.