Die Vögel schienen an diesem Morgen besonders schön zu singen, die Luft noch stärker nach Krokussen und Veilchen zu duften, und der Himmel noch mehr als sonst im Licht der ersten Sonnenstrahlen zu leuchten. Hubi hätte vor Begeisterung Purzelbäume schlagen können.
Aus Sorge um seine kostbare Fracht unterließ er es jedoch und machte stattdessen nur kleine Hüpfer. Die anderen hatten ihm zwar versichert, dass die Eier im Korb gut geschützt seien. Doch auf seiner ersten Tour wollte er kein Risiko eingehen und bewegte sich daher lieber etwas langsamer. Da man ihm für den Anfang nur ein kleines Verteilgebiet gegeben hatte, sollte er es trotzdem schaffen, vor dem Aufwachen der Menschen fertig zu werden. Gerne wäre dabei gewesen, wenn sie seine Nester entdeckten. Da das nicht ging, musste er sich eben besonders viel Mühe geben, wirklich gute Verstecke auszuwählen. Dann würde er sich sicher sein können, dass deren Auffinden viel Freude bringen werde.
Eine folgenreiche Entscheidung
In der Ferne erspähte er das erste Haus. Nachdem er sich durch die Gitterstäbe des Gartentors hindurchgequetscht hatte, bot sich ihm der Anblick eines Gartens voller Versteckmöglichkeiten: Büsche, Bäume, Beete. Auch hinter einem kleinen Schuppen und einem liegengelassenen Ball legte er ein paar Eier ab.
Als er sich dem Haus näherte, entdeckte er in der Tür eine kleine Öffnung. Ob er es wagen konnte, das Haus zu betreten? Eigentlich lautete die Regel der Hasen, dass Häuser tabu seien. Im Inneren könnten sie viel zu leicht entdeckt werden. Die Menschen wussten zwar, wem sie die alljährlichen Ostergaben zu verdanken hatten. Dennoch war es von oberster Wichtigkeit, nie bei deren Verteilung gesehen zu werden. Doch wäre ein Nest im Haus nicht mal was Anderes?
Während er noch überlegte, ob es wert war, dafür das Risiko einzugehen, sagte plötzlich jemand hinter ihm: „Na, bist du zur Heizungsbesichtigung hier?“ Erschrocken drehte er sich um und blickte in ein Paar bernsteinfarbener Augen – eine Katze. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Hasen und Katzen waren nicht gerade Freunde. In der Hasenschule hatte man ihm eingeschärft, vor Haustieren auf der Hut zu sein und ihnen möglichst aus dem Weg zu gehen. Und was machte er? Schlug gleich bei seiner ersten Auslieferung alle Warnungen in den Wind.
Ölverzicht bringt Besucher
„Äh, äh, nein“, stammelte er. „Ich, ich habe nur ein paar Eier gebracht. Für die Menschen. Wegen Ostern.“
„Ach, so einer bist du. Ein Osterhase.“ Abschätzig musterte sie ihn, als ob es für sie nicht nachvollziehbar sei, wie jemand an einer solchen Aufgabe Gefallen finden konnte.
„Äh, ja. Ich bin noch neu. Ich wusste nicht, dass dies dein Eingang ist. Ich, ich wollte ihn nicht blockieren.“
„Kein Problem.“ Sie setzte sich und begann, sich genüsslich die Vorderpfote zu lecken. „Ich dachte, du wärst einer, der von der neuen Heizung gehört hat und nun einen Blick darauf werfen will. Der Waschbär und die Elster waren auch schon da.“
„Sie sind wegen einer Heizung vorbeigekommen?“ Nun war Hubis Neugierde geweckt.
„Ja, nachdem meine Besitzer die alte wegen der hohen Ölpreise letzten Oktober abgeschafft haben, haben wir eine mit erneuerbarer Energie.“ Stolz reckte sie den Hals.
„Oh“, sagte Hubi, „das ist toll.“ In Lebensraumkunde hatte Frau Löffler ihnen erklärt, wie schädlich Öl und Gas für die Umwelt waren. Und dass sie nur hoffen könnten, dass die Menschen in Zukunft stärker auf erneuerbare Energien, wie von der Sonne oder dem Wind, setzten, da sonst alle Lebewesen unter den Folgen zu leiden hätten.
Holzverwertung der anderen Art
„Womit wird sie denn betrieben?“, fragte er. Bei einer Exkursion hatte Frau Löffler ihnen eine Wärmepumpe gezeigt, die mit Umweltenergie aus der Luft angetrieben worden war. Allerdings hatte er auf dem Grundstück kein solches Gerät gesehen.
„Mit Holzpellets“, antwortete die Katze, die nun auch die andere Pfote einem Waschgang unterzog.
„Holzpellets? Was ist das denn?“ Er wusste, dass manche Menschen ihre Kamine oder Kaminöfen mit Holzscheiten befeuerten. Aber der Begriff „Pellets“ war ihm neu.
„Das sind so kleine Stäbchen aus zusammengepressten Holzabfällen, also Spänen und Sägemehl. Was halt so bei der Holzverarbeitung übrigbleibt. Teilweise kommen da auch Schadhölzer rein. Wegen der ganzen Dürren, Stürme und Käfer gibt es davon ja wohl immer mehr.“
Er nickte. Schon oft hatte er beim Hoppeln durch den Wald umgestürzte Bäume gesehen. Frau Löffler meinte, dass diese oft zu dünn oder zu kaputt seien, um den Menschen zu nützen. Dass sie nun zu diesen Pellets verarbeitet wurden, die eine Alternative zu fossilen Brennstoffen boten, fand er daher eine tolle Idee.
Fußbodenheizung, nein danke
Da kam ihm ein Gedanke. „Dürfte ich denn die Heizung auch mal sehen?“ Dann könnte er einen Vortrag darüber halten. Für seine Mitschüler wäre das sicher interessant. Und Frau Löffler wäre bestimmt stolz auf ihn, dass er auch außerhalb des Unterrichts was gelernt hatte.
„Ich dachte, du musst Eier verteilen.“ Die Katze sah ihn mit schief gelegtem Kopf an.
Nun, da er schon ein paar Eier abgelegt hatte, sollte er in der Lage sein, seinen weiteren Weg etwas schneller fortzusetzen und so die Zeit wieder gutzumachen. „Ein paar Minuten habe ich.“
„Nun gut. Dann komm mal mit.“ Hoch erhobenen Schwanzes stolzierte sie zur Tür und verschwand dann durch die Klappe. Kurz zögerte Hubi. Dann hoppelte er hinter ihr her.
Als sie drinnen an einem Heizkörper vorbeikamen, wies die Katze auf eine Art Matte, die davor aufgehängt worden war. „Zum Glück konnten sie mit der Pelletheizung die alten Heizkörper behalten. Hätten sie auf eine Fußbodenheizung umrüsten müssen, müsste ich jetzt immer auf der Erde liegen.“ Sie ließ Ihren Schwanz durch die Luft peitschen, als sei allein der Gedanke daran absolut unakzeptabel. Katzen waren wirklich anspruchsvolle Wesen.
Eine saubere Sache
Nachdem sie ihn durch mehrere Räume geführt hatte, die alle angenehm warm waren, stoppte die Katze schließlich vor einem großen Kasten. „Et voilà!“, sagte sie mit schwingendem Schwanz.
Hubi hoppelte näher. Enttäuscht stellte er fest, dass man von außen gar nicht sehen konnte, wie die Verbrennung ablief. „Wo sind denn die Pellets?“, fragte er.
„Nebenan, in einem extra Lagerraum. Früher standen dort die Öltanks. Über die da“, sie wies auf Rohre, die von dem besagten Raum zur Heizung führten, „werden die Pellets zum Brennraum transportiert. Funktioniert alles automatisch. Meine Besitzer müssen sich also nicht die Hände schmutzig machen.“ Als ob angewidert von dem Gedanken an schmutzige Hände leckte sie sich mehrmals den Latz. „Zweimal jährlich leeren sie den Aschekasten. Und im Sommer, wenn der Preis besonders niedrig ist, bestellen sie neue Pellets. Alles ganz unkompliziert.“
Futtererhalt dank Förderung
„Das klingt nach einer wirklich guten Investition“, meinte Hubi. In Menschenkunde hatte er gelernt, was Geld ist und dass Dinge wie Heizungen viel davon kosteten. Daher war die Entscheidung für eine neue Heizung für die Besitzer der Katze sicher nicht leicht gewesen.
„In der Tat“, stimmte die Katze zu. „Sie haben da wohl auch noch so eine Förderung bekommen. 55 % auf alle Kosten, glaube ich. Wegen der Ölheizung und weil diese hier besonders emissionsarm ist. Na ja, mir soll’s egal sein. Hauptsache, Ihnen geht nie das Katzenfutter aus.“
Diesmal konnte Hubi nachvollziehen, wie sie empfand. Der Gedanke, auf seine geliebten Möhrchen verzichten zu müssen, erschien ihm unerträglich. Das erinnerte ihn an seine Aufgabe. Wenn er sich nicht sofort wieder auf den Weg machte, würde er nicht alle Eier rechtzeitig versteckt bekommen. Und dann dürfte er nicht am anschließenden Osterbrunch teilnehmen.
„Danke, dass du mir alles gezeigt und erklärt hast“, sagte er daher zu der Katze.
Die aber winkte ab: „Unsereins muss ja auch seinen Beitrag für eine bessere Zukunft leisten. Wenn man schon so ein umweltfreundliches Heizsystem im Haus hat, sollte man anderen auch Zugang dazu ermöglichen, damit sie die Kunde davon in die Welt tragen können.“
ErlEIchtert zu neuen Abenteuern
Hubi wurde das Gefühl nicht los, dass sie diese Führungen vielleicht auch gab, um mit ihrem Zuhause anzugeben. Aber gut, es sei ihr gegönnt. Apropos gönnen: Auf dem Weg nach draußen fiel sein Blick auf die Liegematte, die sie so zu lieben schien. Sicherlich würde auch sie sich über ein kleines Geschenk freuen.
Nachdem er ein paar Eier für sie arrangiert hatte, eilte er hinaus. Draußen empfing ihn wieder die kühle Morgenluft. Jetzt, da er wusste, dass es Heizungen gab, die Wärme mit anderweitig nicht mehr zu gebrauchendem Holz erzeugten, hüpfte es sich irgendwie leichter. Obwohl das natürlich auch an dem etwas leichteren Korb liegen konnte.
Bilder:
Pelletheizung: © sivvector /Adobe Stock
Hase: © Rudie / Adobe Stock
Katze: © kozerog2015 / Adobe Stock
Osterschild: © stux / Pixabay