Sehr geehrter Herr Alt. Vielen Dank, dass sich dazu bereit erklären, ein Interview mit uns zu führen. Auf Ihrem Blog sonnenseite.com schreiben Sie viel über das Thema Klimawandel. Wie kommt das? Ist es Ihnen ein persönliches Anliegen?
Die Klima- und Energiefrage ist die Überlebensfrage der Menschheit. Wenn wir nicht rasch, das heißt in den nächsten Jahrzehnten, auf 100% Erneuerbare Energie umstellen und dadurch den Klimawandel noch aufhalten, brauchen wir über viele weitere Fragen gar nicht mehr nachdenken. Als Journalist, der über die aktuellen Probleme aufzuklären hat, bin ich da natürlich gefordert. Zudem tue ich das auch, weil ich an die Zukunft meiner vier Kinder denke.
Es gibt sehr viele Kritiker die behaupten, dass es keinen Klimawandel gibt. Was halten Sie davon?
Die Kritiker werden immer weniger, weil der Klimawandel einfach nicht mehr rational zu leugnen ist. Diese sogenannten Kritiker leben im Wolkenkuckucksheim, aber nicht auf dieser Erde. Sie haben schlicht die wissenschaftlichen Erkenntnisse auf 20 Weltklimakonferenzen verschlafen. Ich war in den letzten Jahren am Südpol und am Nordpol, auf Grönland und in Alaska, um den Klimawandel zu studieren. Weltweit schmelzen die Gletscher, weil es global wärmer ist als in den letzten 450.000 Jahren. Meine Erfahrungen vor Ort decken sich mit den Erkenntnissen der Wissenschaft. Für die Klimaleugner ist die Erde noch immer eine Scheibe. Sie haben ganz einfach die Aufklärung verschlafen und leben mit einem mittelalterlichen Weltbild. Sie glauben zwar nicht an den Wandel, aber sie wissen nichts wirklich darüber – sie wollen auch nichts wissen. Aber Ignoranz und Verdrängung helfen nicht. Die Klimaleugner haben schlicht Angst vor Veränderung, die jetzt angesagt ist. Zu den Leugnern des Klimawandels gehört in Deutschland auch die AFD, die in ihrem Parteiprogramm den Klimawandel einfach bestreitet.
Der Klimawandel hat eine Reihe von Effekten auf uns, die Natur und die Tierwelt. Was ist Ihrer Meinung nach die verheerendste Auswirkung?
Das dramatische Artensterben. Jeden Tag rotten wir zurzeit 150 Tier- und Pflanzenarten aus. Dabei braucht die Natur 30.000 Jahre, um e i n e neue Art zu schaffen. Täglich verlieren wir 86 Millionen Tonnen fruchtbare Erde und täglich produzieren wir durch unsere verheerende Energiepolitik 50.000 Hektar Wüste zusätzlich. Klimawandel produziert also massenhaft Klimaflüchtlinge. Die Probleme kommen jetzt zu Fuß zu uns.
Sie schreiben in einem Ihrer Beiträge, dass 2015 das bisher wärmste Jahr seit der Aufzeichnung der Erdtemperatur war. Das ist sehr besorgniserregend. Wie geht die deutsche und internationale Politik mit dem Problem um?
Auf der letzten Weltklimakonferenz im Dezember 2015 in Paris haben erstmals alle 195 Regierungen den Klimawandel als die größte Herausforderung für die Zukunft anerkannt. Erstmals haben wir uns als Weltfamilie verstanden. Das ist ein großer Fortschritt. Aber vom Erkennen des Problems bis zur wirklichen und ernsthaften Bekämpfung ist es noch ein weiter Weg. Das sehen Sie an der deutschen Politik der großen Koalition. Sie fördert zurzeit noch eher die Kohle als die erneuerbaren Energien.
Viele Menschen behaupten von sich selber, dass sie umweltbewusst leben. Stimmt das? Oder könnten einige von uns mehr tun?
Alle müssen mehr tun. Die Politik muss die Rahmenbedingungen aber richtig setzen. Das heißt: Es muss mehr Anreize für ökologisches und nachhaltiges Verhalten geben in mindestens drei Bereichen: Beim Energieverbrauch, bei der Mobilität und in der Landwirtschaftspolitik. Wer weniger Fleisch isst, handelt umweltbewusst und tut etwas für seine Gesundheit. Die heutige Fleischproduktion ist sehr Energie aufwendig und gar nicht tierfreundlich.
Gibt es „Grundregeln“ die man als umweltbewusster Mensch tun sollte? Haben Sie Tipps für den Alltag?
Jeder sollte möglichst viel Energie, die er oder sie verbraucht, selbst erzeugen. Und sich fragen, ob jede Autofahrt wirklich sein muss oder ob er oder sie nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann. Und bei unserer Ernährung tun wir auch unserer Gesundheit etwas Gutes, wenn wir uns ökologisch ernähren und mit Lebensmitteln aus der Region.
Was tragen Sie zum Umweltschutz bei? Gibt es in Ihrer Umgebung Projekte auf die Sie aufmerksam machen möchten?
Ich habe seit etwa zehn Jahren kein Auto mehr. 97% meiner vielen Vortragsreisen in Mitteleuropa unternehme ich mit der Bahn. Das ist nicht nur ökologischer, sondern auch bequemer, weitaus sicherer und außerdem noch zeitsparend. Im Zug kann ich gut arbeiten. Strom und Wärme produzieren wir seit über 20 Jahren selbst auf unserem Hausdach mit der Sonne, die uns noch nie eine Rechnung geschickt hat. Unsere Familie ernährt sich weitgehend vegetarisch oder mit nur wenig Fleisch. Jede und jeder findet in seiner Umgebung Projekte, an denen er sich beteiligen kann. Die Umweltämter geben dazu gerne Auskunft.
Vielen Dank, Herr Alt.
Mehr Infos über www.sonnenseite.com und Literatur: Franz Alt: „Die Sonne schickt uns keine Rechnung“, Piper-Taschenbuch und „Sonnige Aussichten – warum uns die Energiewende zu Gewinnern macht“, Piper-Taschenbuch.
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