Sie haben auf der Intersolar 2012 in München für eine weltweite Kollaboration von Solarherstellern plädiert, um eine weltweit starke Solarbranche zu erhalten und zu fördern. Wie kann man sich eine Zusammenarbeit internationaler Wettbewerber trotz der enormen Konkurrenzsituation in der Praxis vorstellen?
Dr. Weber: Wir hängen ja alle an übernationalen Energienetzen, schon allein deshalb müssen wir uns einigen! Und mit regenerativen Systemen wie PV bekommen wir eine große Volatilität dazu, die wir durch intelligente Steuerung und durch Speicher ausgleichen müssen. Schon alleine dieser Sachverhalt zwingt uns zu einer guten und länderübergreifenden Zusammenarbeit. Die intelligente Steuerung des Netzes betrifft auch die PV-Module – wir können kritische Situationen nur beherrschen, wenn wir klare technische Regeln haben. Gerade die Solarbranche bietet sehr gute Chancen für mittlere und kleinere Firmen – von den Maschinen bis zu Kabeln, Umrichtern und zu den Anlageninstallateuren und dem Service. Aber wenn wir keine gemeinsame Plattform schaffen, dann haben diese Firmen keine Entfaltungsmöglichkeiten. Ein technisches Netzwerk dieser Firmen – wie es die IEEE-Society anbietet – kann hier helfen. Die Vernetzung kann auch durch öffentliche Mittel in Zusammenarbeit mit den Hochschulen gefördert werden – hier muss man das unbürokratische Schweizer Modell als positives Beispiel hervorheben! Überflüssige Doppelentwicklungen erhöhen eigentlich nur das Geschäftsrisiko und verunsichern die Märkte – das gilt auch für die großen Player.
Einen Schwerpunkt dieser Zusammenarbeit sehen Sie insbesondere in der Weitergabe der bereits in Deutschland, China und USA gemachten Erfahrungen bei der Implementation von politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen zur Förderung des Solarmarktes. Durch welche Instrumente und Marktmechanismen zeichnen sich diese Länder aus?
Dr. Weber: In den USA und in Deutschland finden sich sehr viele Maschinenbauer, die im PV-Segment eine große Rolle spielen. Diese nutzen das breite technische Potenzial in ihren Heimatländern. Dabei wirkt sich positiv aus, dass es eine große Bandbreite an Firmen gibt, die Innovationen vorantreiben. Als Principal Expert von TÜV SÜD kann ich auch sagen, dass die Sicherheit und Qualität seit fast 150 Jahren einen hohen Stellenwert in der Industrie einnimmt. China wiederum kann in kürzester Zeit eine Infrastruktur für die Massenproduktion schaffen.
Eine Möglichkeit der Stärkung und zukünftigen Etablierung eines starken globalen Weltmarktes für Solarprodukte sehen Sie in der Installation internationaler Standards. Welche Vorteile ergeben sich aus der Einführung von z.B. international gültigen Normen?
Dr. Weber: Normen schaffen den technischen Nährboden für eine nachhaltige Entwicklung. Nur so kann man Fortschritt fokussieren. Dabei muss man darauf achten, dass man Innovationen nicht behindert und trotzdem die Kontinuität wahrt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Internetkommunikation, die auf dem IEEE Standard 802 beruht. Die heutigen Produkte sind noch konform zu den Standards von vor 30 Jahren, obwohl sich die Leistungsfähigkeit vertausendfacht hat. Gerade im Infrastrukturbereich sind Standards – und zwar internationale Standards – unerlässlich, um Produkte verschiedener Hersteller einfach zu integrieren. Wir sind auf einem guten Weg, eine tragfähige Standard-Infrastruktur für die nachhaltige Energieversorgung zu schaffen. Tausende von Experten arbeiten daran. Aber es bestehen natürlich auch Interessenkonflikte, die diesen Prozess behindern. Da gibt es noch einiges zu tun, um auf regionaler und internationaler Ebene einen technisch tragbaren Konsens zu finden.
Insbesondere China wird vorgeworfen, seine eigene Solarindustrie zu Ungunsten z. B. von Solaranbieter aus Deutschland oder Solaranbieter aus USA zu subventionieren. Ob diese Subventionen mittelfristig abgebaut werden, ist unklar. Wie kann eine internationale Kollaboration helfen, China zum Abbau dieser Subventionen zu bewegen?
Dr. Weber: Natürlich ist das bezogen auf einzelne Firmen problematisch, wenn sie dadurch ihre guten Ideen nicht verwirklichen können. Aber wir sollen uns nichts vormachen: Die Innovationen in eine nachhaltige Energieversorgung werden sich nicht unmittelbar auszahlen. Das ist ein Marathonlauf und kein 100-m-Sprint. Unter diesen Aspekten ist generell erst einmal nichts gegen eine finanzielle Unterstützung von neuen Technologien zu sagen. Das Problem bei direkten Subventionen besteht in der Regel darin, dass sie nicht unbedingt der Innovation zugutekommen. Eine Lösung dafür kann ich als technischer Experte nicht anbieten. Aus meiner Sicht muss jede Region herausfinden, wo ihre Stärken liegen und diese Stärken gezielt einsetzen. In einem fairen Wettbewerb der Regionen miteinander können wir das Beste herausholen.
In Entwicklungsländern ist die Photovoltaik noch stark unterrepräsentiert, obwohl es hier gerade für die individuelle Stromversorgung in ländlichen Gebieten ein riesiges Potenzial gibt, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Wäre es nicht wünschenswert, wenn sich internationale Hersteller auch diesbezüglich zusammenschließen würden, um einen funktionierenden Solarmarkt in Entwicklungsländern zu etablieren?
Dr. Weber: Um eine funktionierende solare Energieversorung zu bekommen, müssen wir erst noch ein paar Hausaufgaben machen. Das betrifft beispielsweise die Speicher, aber das betrifft auch die Robustheit der Technologie. Die Robustheit ist ein wichtiger Faktor, den wir gerade auch in sich entwickelnden Ländern berücksichtigen müssen. Aber wir sollen nicht zu lange warten, um den Austausch zu suchen. Es gibt ja schon eine Reihe von Firmen in den Schwellenländern, die uns weiterhelfen können, und auf der technischen Seite gibt es internationale Organisationen, die das voranbringen. Zudem haben wir mit der Desertec-Initiative einen interessanten Ansatz, wie sich möglicherweise verschiedene Interessenslagen zum Vorteil aller Beteiligten miteinander verbinden lassen.
Vielen Dank für das Gespräch!