Mit den aktuell beschlossenen Maßnahmen zum Klimaschutz wird Deutschland weder seine bisherigen noch die verschärften europäischen Klimaschutzziele im Gebäudesektor bis 2050 erreichen. Wie dies doch möglich wäre, zeigen zwei Roadmaps von Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, dem Öko-Institut und dem Hamburg Institut.
Das Forschungsteam stellt darin Maßnahmen und politische Instrumente vor, mit denen die dezentrale Wärmeerzeugung kein CO2 mehr ausstößt, der Endenergieverbrauch gesenkt und die Wärmenetze ausgebaut werden können.Weil aus den Analysen und den Roadmaps hervorgeht, wie dringend die Politik handeln muss, sollten die meisten Instrumente vor 2025 eingeführt und umgesetzt werden. Die Forscher und Forscherinnen haben die Analyse und die Roadmaps in der vom Umweltbundesamt beauftragten Studie „Systemische Herausforderung der Wärmewende“ vorgelegt.
Im Bereich der Raumwärme und der Warmwasserbereitung schlummert großes Potenzial zur Reduktion energiebedingter Treibhausgasemissionen, da diese etwa 30 Prozent des Endenergieverbrauchs ausmachen und heute überwiegend fossile Energieträger nutzen.
Um die Frage möglicher Pfade zur Erreichung der klimapolitischen Ziele zu untersuchen, analysierte das Projektteam 12 wissenschaftliche Studien. Dabei verglichen sie mögliche Entwicklungen des Endenergiebedarfs für Gebäudewärme, Strom, Umgebungswärme, Biomasse zur Gebäudeversorgung, Fernwärmeanteile sowie Sanierungsraten und resultierende Treibhausgasemissionen.
Die Rollen der Akteurinnen und Akteure auf dem Wärmemarkt wurden hinsichtlich ihres Einflusses bei Investitionsentscheidungen für Sanierungsprojekte analysiert. Im Bereich der InvestorInnen/EntscheiderInnen im Wohngebäudebereich sind die EigentümerInnen von Ein- und Zweifamilienhäusern besonders relevant – denn diese machen rund 80 % aller Wohngebäude in Deutschland aus.
Welche Rolle die Wärmenetze in der Wärmewende spielen, hat das Forschungsteam in Bezug auf Ausgangslage, Hemmnisse, Potenziale und Transformationspfade im Detail betrachtet. Wärmenetze sind dabei grundsätzlich gut als Versorgungs-Infrastruktur geeignet, um Erneuerbare Energien und Abwärme kostengünstig und flexibel in das Energiesystem zu integrieren. In Dänemark werde dies bereits erfolgreich umgesetzt.
Zwei zentrale Lösungsansätze: Dämmen & Endenergiebedarf senken oder Emissionen mit Erneuerbaren Energien auf null bringen
Zwei zentrale Ansätze haben sich in der Szenarien-Analyse herauskristallisiert:
- [Szenario „nahezu klimaneutraler Gebäudebestand“]
Man maximiert Effizienzmaßnahmen, um den Endenergiebedarf so weit zu senken wie möglich. Doch sorgen bei diesem Ansatz unter anderem technische oder denkmalschutzbedingte Dämmrestriktionen dafür, dass sich der Endenergiebedarf nur um maximal 60 Prozent reduzieren lässt. Die restlichen 40 Prozent müssen durch erneuerbare Energien bereitgestellt werden.
- [Szenario „Treibhausgas-Minderung um mindestens 95 %“]
Der zweite Ansatz setzt weniger aufs Dämmen, sondern vor allem auf den Ausbau der erneuerbaren Energien, um mit den ausgestoßenen Treibhausgas (THG)-Emissionen auf null zu kommen. Hierfür sind deutlich größere Mengen erneuerbarer Energien für die Wärmebereitstellung nötig.
Eins ist für beide Ansätze festzuhalten: Der Anteil der erneuerbaren Energien im Endenergieträgermix zur Wärmeversorgung steigt signifikant. Wesentliche Beiträge kommen aus der Nutzung von Umgebungswärme mit Wärmepumpen, grüner Fernwärme, Biomasse und Solarthermie.
Fünf Ziele für den Gebäudesektor
Im Fokus der Studie steht die Wärmebereitstellung für Heizung und Warmwasser in Wohn- und Nichtwohngebäuden, die bis 2050 nahezu klimaneutral sein sollen. Betrachtet werden zwei Zielbereiche: einerseits die Senkung des nicht-erneuerbaren Primärenergiebedarfs um 80 Prozent gegenüber 2008 und andererseits die Reduktion der gesamten Treibhausgasemissionen um 95 Prozent gegenüber 1990.
„Nahezu alle Szenarien sehen vor, dass die aktuelle energetische Sanierungsrate von derzeit einem Prozent dringend ansteigen muss“, sagt Dr. Peter Engelmann, Gruppenleiter Gebäudesystemtechnik am Fraunhofer ISE. Zudem leitete das Forschungsteam weitere vier Ziele ab:
- Die Entwicklung der Fernwärme-Infrastruktur muss Auswirkungen auf die Gas-Infrastruktur haben.
- Die Klima-Zwischenziele der THG-Emissionsminderung müssen eingehalten werden.
- Die Dekarbonisierung des Energiesektors, besonders der Stromerzeugung, muss zügig vonstattengehen; und zwar mit einem ambitionierten Ausbauplan für die erneuerbaren Energien und dem Ausstieg aus der Kohleverstromung.
- Eine Infrastruktur für den Import und die inländische Erzeugung von Power-to-Gas- und Power-to-Liquid-Produkten muss aufgebaut werden.
Instrumentensets als Roadmaps
Aus den fünf Zielen leiten die Forscherinnen und Forscher Instrumentensets in Form von Roadmaps ab. „Die Analyse der Instrumente zeigt, dass viele Ordnungs- und Förder-Instrumente noch nicht auf das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands einzahlen“, sagt Benjamin Köhler vom Öko-Institut. „Wir brauchen dringend ein klares Zielbild und ein darauf ausgerichtetes Set bestehend aus ordnungsrechtlichen, fördernden, planerisch-strategischen und kommunikativen Instrumenten.“ Dr. Matthias Sandrock, Geschäftsführer des Hamburg Instituts, ergänzt: „Zum Erreichen eines langfristig klimaneutralen Gebäudebestands muss zwischen den beiden Bereichen Gebäudeeffizienz und dem Einsatz erneuerbarer Energien und Abwärme zur Wärmeversorgung eine kostenoptimale Balance gefunden werden.“
[Gut zu wissen: Im Klimaschutzplan 2050 hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) festgelegt, dass im Gebäudebereich der Primärenergiebedarf bis 2050 im Vergleich zu 2008 um 80 Prozent sinken soll. In Zahlen bedeutet dies, dass dieser Sektor im Jahr 2030 nur noch 70-72 Tonnen CO2-Äquivalente ausstoßen darf – das sind 66 bis 67 Prozent weniger als 1990. Hintergrund dieser Vorgabe ist, dass der Gebäudebereich vor allem beim Heizen etwa ein Drittel der Treibhausgasemissionen verursacht. Um das ambitionierte Ziel zu erreichen, müssen laut BMWi Erneuerbare Energien wesentlich attraktiver sein als fossile Energien – zum Beispiel durch entsprechende Förderprogramme, die es bereits gibt.]
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Quellen:
Weiterführende Links:
Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE
Europäischer Green Deal im Gebäudesektor
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